23. November 2022, 15:10 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, AFP
Der türkische Präsident Erdoğan kündigt eine Bodenoffensive an. Die Zahl der getöteten Menschen in den Kurdengebieten steigt nach türkischen Angaben auf mehr als 250.
Die Türkei will „entschlossener denn je“ eine Pufferzone auf syrischer und kurdischer Seite ihrer Grenze erkämpfen. Ihre Angriffe auf kurdische Ziele in Nordsyrien und im Irak wolle sie dafür offenbar noch verstärken. Die Angriffe aus der Luft „sind erst der Anfang“, sagte Präsident Recep Tayyip Erdoğan.
Seit Sonntag habe die Türkei rund 500 kurdische Ziele in den beiden Nachbarländern angegriffen und dabei mehr als 250 „Terroristen neutralisiert“, sagte Verteidigungsminister Hulusi Akar laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Mit diesem Begriff bezeichnen die türkische Regierung und Streitkräfte der Türkei üblicherweise kurdische Gruppen. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
„Wann immer es uns am besten passt“
„Unsere Entschlossenheit, die gesamte Südgrenze mit einer Pufferzone zu sichern, ist heute stärker denn je“, sagte Erdoğan vor Abgeordneten seiner Partei AKP im Parlament. Die Angriffe mit Flugzeugen, Drohnen und Kanonen seien erst der Anfang. „Während wir die Luftangriffe ununterbrochen fortsetzen, werden wir auch auf dem Landweg gegen Terroristen vorgehen, wann immer es uns am besten passt.“
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (OSDH) mit Sitz in London berichtete von Drohnenangriffen auf zahlreiche Ziele in der nordsyrischen Provinz al-Hasaka, darunter Angriffe auf eine Gasraffinerie und eine Ölpumpstation. Türkische Granaten seien laut OSDH in der Nähe eines Gefängnisses in der Stadt Qamischli eingeschlagen, in dem auch Anhänger der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) sitzen.
Die Türkei hat am Sonntag eine lange geplante Militäroffensive gegen kurdische Einheiten in Nordsyrien begonnen – wenige Tage nach einem Anschlag in Istanbul mit sechs Toten, für den Ankara der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK die Schuld gab. Die PKK und die syrische Kurdenmiliz YPG weisen jegliche Verwicklung in den Anschlag zurück.
Die kurdische Miliz YPG wird von den USA unterstützt und spielte bei der Vertreibung des IS aus Syrien und der Rückeroberung der Stadt Kobane von der Dschihadistenmiliz im Jahr 2015 eine große Rolle. Die türkische Regierung sieht die YPG als verlängerten Arm der PKK und forderte die USA am Dienstag aufgefordert, die YPG nicht länger zu unterstützen.
Türkischer Angriff auf russischen Stützpunkt
Ein kurdischer Militäroffizier berichtete indes der Nachrichtenagentur AFP von einem türkischen Drohnenangriff auf eine kurdische Stellung innerhalb eines russischen Stützpunktes im Nordosten Syriens. Dabei sei ein kurdischer Kämpfer des von der YPG angeführten Militärbündnisses SDF getötet worden, drei weitere seien verwundet worden.
Russland kämpft im Syrienkrieg seit 2015 an der Seite des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Ursprünglich hatte die russische Armee Stützpunkte im Westen des Landes, seit 2019 ist sie – nach einem Abkommen mit der Türkei – auch im Nordosten Syriens präsent, um dort als Puffer zwischen der Türkei und den kurdischen Kämpfern zu wirken.
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https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-11/tuerkei-syrien-nordirak-kurden-angriffe